Vor vielen, vielen
Jahren, als von der Klimaerwärmung noch keine Rede war, schneite es einmal vor
Ostern eine ganze Woche lang. Unaufhörlich rieselten dicke, weiße Flocken vom
Himmel, und die Landschaft versank unter einer schweren Schneedecke.
Der Osterhase bekam von
diesen Wetterkapriolen gar nichts mit. Gemeinsam mit seiner Hasenfrau und allen
22 Hasenkindern arbeitete er tagein, tagaus mit Feuereifer daran, die Eier für
die Kinder des Dorfes in allen Farben des Regenbogens zu bemalen und mit
ausgefallenen Mustern zu verzieren. Am Abend vor dem Ostersonntag betrachtete
er zufrieden sein Werk. Eine solche Farbenpracht wie heuer war ihm selten zuvor
gelungen!
Doch wie erschrak der
arme Osterhase, als er früh am nächsten Morgen, schwer beladen mit Körben voller
Eier, aus seinem Bau krabbelte! Alles war weiß – die Wiesen, die Wege, sogar
die Bäume hüllten sich in Mäntel aus Schnee. Wo sollte er nun seine bunten Eier
verstecken? Die kahlen Sträucher boten keine Tarnung, denn durch die Zweige
würde man schon von weitem die Farben leuchten sehen. Verzweifelt schlug sich
der Osterhase die Pfoten vor das Gesicht. Er wusste doch, wie sehr sich die
Kinder auf die Eiersuche freuten! Aber ohne richtige Verstecke gab es keine
Suche, die Kinder würden die Eier und Nester auf den ersten Blick entdecken,
und binnen weniger Minuten wäre der ganze Spaß vorüber.
Ein Eichhörnchen, das
gerade unterwegs war, um eine Nuss zum Frühstück aus seinem Versteck zu holen,
wurde auf das jämmerliche Schluchzen aufmerksam, das vom Eingang des Hasenbaus
zu ihm herüber drang. Neugierig folgte es den Lauten und entdeckte den
unglücklichen Hasen. Der schilderte dem kleinen Nager seine Not – und siehe da,
das Eichhörnchen wusste Rat!
»Du darf gerne ein
Osternest in meinem Astloch verstecken«, bot es dem Hasen
an.
Dieser stimmte freudig
zu. Während er seine Gaben vorsichtig in das Astloch schob – so, dass ein ganz
klein wenig Rot hervorblitzte, um den Kindern die Suche nicht allzu schwer zu
machen – flitzte das Eichhörnchen los, um seine Freunde zu verständigen.
Alle eilten sofort
herbei, um dem Osterhasen in seiner Not beizustehen. Die Vögel liehen ihm ihre
Nester als Verstecke für bunte Eier, der Hund seine Hütte, das scheue Reh bot
ihm einen Platz in der Raufe an, das Murmeltier seine Höhle, und sogar im
Eingang zum Fuchsbau durfte er ein Nestchen mit Eiern unterbringen. Nachdem
alle Eier versteckt waren, bedankte sich der Osterhase herzlich bei seinen
Freunden und lud sie alle zum Sonntagsfrühstück in seinen Bau ein.
Als die Kinder wenig
später aus den Häusern stürmten, wunderten sie sich sehr. Die weiße Landschaft
vor ihnen schien bis auf einige Pfotenspuren unberührt, und nirgends war auch
nur ein einziges Osterei zu entdecken. Enttäuschung machte sich breit. Sollte
der Osterhase das Osterfest etwa verschlafen haben?
Plötzlich stieß der
kleine Tim einen Schrei aus und zeigte auf einen dicken Baumstamm.
»In dem Astloch dort
drüben leuchtet etwas Rotes!«, rief er aufgeregt.
Sofort rannten die Kinder
zu dem Baum hinüber, und tatsächlich! Im Astloch entdeckten sie das Osternest,
das der Hase dort für sie vorbereitet hatte. Nun wussten sie, nach welcher Art
von Verstecken sie zu suchen hatten. Unter großem Jubel und Gelächter streiften
sie durch die Gegend, bis sie schließlich alle Eier und Nester entdeckt hatten.
Dann kehrten sie mit roten Backen und leuchtenden Augen in ihre Wohnungen
zurück, um sich aufzuwärmen und ihren Eltern von den ausgefallenen Verstecken
zu erzählen, in denen sie heuer ihre Gaben gefunden hatten.
Alle – die Menschen wie
die Tiere – waren sich einig: Ein so schönes Osterfest hatten sie schon lange
nicht mehr erlebt!