Donnerstag, 3. Februar 2011

Felicitas

Als wäre das so einfach:
glücklich sein.
Als brauchte es dazu nur alles
was das Leben bieten kann.

Um Glück zu kennen
musst du wissen
um seine Endlichkeit
und seinen Preis
Denn ohne Antithese
verkommt das Göttliche in uns
zu animalischer
Zufriedenheit

Das wahre Glück ist kurz
und schmerzhaft
reißt dich aus dir heraus
in einen anderen Horizont
Dort zu verweilen wäre tödlich
Die Glut der Sonne deiner Flügel
sicherer Untergang

Willst du das höchste Glück
aus voller Seele kosten
brauchst du das Leid
das dich in Bahnen hält

Und erst, wenn du gelernt hast
Schmerz in Würde anzunehmen
hast du die Reife
zu ertragen auch
dein Glück

Mittwoch, 2. Februar 2011

Opa

Deine Stimme
fast rauschfrei
aus dem Tonband
Du erzählst mir von der Waldfee
und vom Zauberer

Sie kennen mich noch
die Gefährten meiner Kindheit
und über die Jahrzehnte, die uns trennen
reichen sie mir die Hand
wie ich sie jener kleinen Stimme reiche
die wissbegierig dich mit Fragen überhäuft
und die vor langer Zeit
- zu lang, um den Gedanken zu ertragen -
die meine war.

Noch jetzt häng ich an deinen Lippen
und lausche mit den Ohren der Erwachsenen
der bunten Märchenwelt
gebaut aus Liebe und aus Phantasie
die mir als Kind zu selbstverständlich war
um mit der Dankbarkeit von heute
auf ihren Grund zu sehen

So jung klingt deine Stimme
in ihrer Unbeschwertheit fern dem bitteren Joch
welches du damals nicht erahnen musstest
und das dich doch unweigerlich erwartet hat
Mich drückt das Mitleid mit dem liebevollen Opa
der in der Zeit so weit
im Raum so nahe zu mir spricht
wie gerne nähme ich dem lustigen Erzähler
die Zukunft, die mir noch so qualvoll
in der Erinnerung steht

Und doch bist du mir auf dem Tonband
weniger vertraut als
deine Stimme, die ich in meinem Kopf
tagtäglich hör
die mit mir spricht, mir Mut macht
mich berät
wie es das Leben
nicht zugelassen hat

Wir beide haben
einander viel gesagt
seit du gegangen bist
Mein Dank und meine Liebe
begleiten mich, wohin ich geh

Vor 37 Jahren
als ich, ein Neugeborenes,
in deiner Tochter Armen lag
hast du mich gefunden
Am Ende deines Weges erst
als nach der Pein
die Ruhe kam
da fand ich dich.

Bitterschokolade

Ein quietschendes Schneiden
in der rechten Schläfe
Die Nasennebenhöhlen
trommeln dumpf den Takt dazu
rhythmisch im Gleichklang
mit meinem Atem
der brennt wie Eis

Das scharfe Ziehen in den Zähnen
und das gellende
Schreien meines Ischias
erzählen mir davon
dass mein Körper
ein Wunderwerk
aus feinen Nervenfasern ist
ein Baum des Lebens
der in mir wohnt

Ich pflücke seine Früchte
die süßen wie die bitteren
denn sie sind alle mein
Und eingedenk der Wälder
die lange vor der Zeit
der Wut des Flächenbrands
oder des Försters Axt
zum Opfer fielen
schmelzen auf meiner Zunge alle
zart wie Nektar
und Ambrosia