Mittwoch, 30. Mai 2018

Märchenhaft unanständig

Rotkäppchen hat sich wieder einmal verlaufen
Es war keine gute Idee
mit dem Wolf einen trinken zu gehen

Die Großmutter kümmert es nicht
Für Kinder hatte sie nie viel übrig
Sie hofft auf den Jäger mit seinem Gewehr

Zum Glück hat die Hexe im Knusperhäuschen
noch ein Bett frei für das verirrte Paar
Den Lebkuchen danach pflückt man sich direkt vom Dach

Das Nebenzimmer belegt Dornröschen als Dauergast
Hundert Jahre und Prinzen nachzuholen
bedeutet Schwerarbeit

Da hat es Schneewittchen noch vergleichsweise einfach
mit den sieben Zwergen
obwohl die hoch motiviert sind

Es geht rund im sommerschwülen Märchenwald
Und wenn sie nicht gestorben sind
... sie noch heute

Donnerstag, 24. Mai 2018

Dienstag, 22. Mai 2018

Was es ist


Jahrelang habe ich mir gewünscht
wir könnten zusammen fliegen
Hand in Hand durch die Lüfte gleiten
das Prickeln des Windes auf der Haut fühlen
uns an der Luft betrinken

Doch du bist anders als ich
fest und sicher im Boden verankert
wie ein Baum
Dir fehlen die Flügel

Dennoch versuchst du nicht
mich zu halten
lässt mich hinaufschießen in die Wolken
bis ich nur noch ein schwarzer Punkt am Himmel bin
und wartest auf mich

Wenn ich dann mit glänzenden Augen
berauscht von der Schwerelosigkeit
wieder zur Erde herabsinke
bist du immer noch da

Fliegen muss ich allein
Aber ankommen darf ich bei dir 


Donnerstag, 17. Mai 2018

Entschweben

Spätnachts heimkommen
Meine kalten Hände
zwischen deine warmen Finger schieben
Deinem ruhigen Atem lauschen
so vertraut 

Wie gerne würde ich mich
für eine Weile nur
von diesem kaputten Körper lösen 
Ein paar Zentimeter unter der Decke schwebend 
auf uns herunter schauen
und mich an dem Bild erfreuen
wie wir da liegen
eng aneinander geschmiegt
so geborgen

Aber ich bin in diesem Kerker gefangen
Der Schmerz zieht mich nach unten
Und nur mein Geist
schwebt unter der Decke
so frei

Samstag, 5. Mai 2018

Küsse

Vorsichtig tastend
(Will er? Will er nicht?)
Eine hauchzarte Berührung nur
jederzeit rückzugsbereit

Weich ineinander versinken
(Er will!)
Die Lippen öffnen
Grenzenlose Glückseligkeit

Forschend weiter vordringen
Mehr wollen
und atemlos spüren
wie sein Verlangen dir Antwort gibt

Der Lust freie Bahn lassen
Hungrig nehmen
Hemmungslos geben
Aufgehen in einem Meer aus Flammen

Vergessen, wer du warst
Nur Lippen sein und Hände
Feuer auf deiner Haut
Dich auflösen in einem unendlichen 
Kuss




Freitag, 4. Mai 2018

Dialog

Sie lächelte. Er nicht.

„Ich verstehe nicht, woher du deine Fröhlichkeit nimmst“, - beinahe klang es, als würde er sich ärgern -, „mit diesen Schmerzen.“

„Mein Lachen ist ein Weinen“, antwortete sie und lächelte weiter, „siehst du das nicht?“

Wortlos schüttelte er den Kopf. Seine Augen waren traurig.

In ihrem Körper tobte der Schmerz. Verbiss sich mit spitzen Zähnen in ihr weiches Fleisch. Riss in wilder Gier große Fetzen aus ihrer Mitte heraus.


Sie lächelte. Was sollte sie sonst tun?