Mittwoch, 2. Februar 2011

Opa

Deine Stimme
fast rauschfrei
aus dem Tonband
Du erzählst mir von der Waldfee
und vom Zauberer

Sie kennen mich noch
die Gefährten meiner Kindheit
und über die Jahrzehnte, die uns trennen
reichen sie mir die Hand
wie ich sie jener kleinen Stimme reiche
die wissbegierig dich mit Fragen überhäuft
und die vor langer Zeit
- zu lang, um den Gedanken zu ertragen -
die meine war.

Noch jetzt häng ich an deinen Lippen
und lausche mit den Ohren der Erwachsenen
der bunten Märchenwelt
gebaut aus Liebe und aus Phantasie
die mir als Kind zu selbstverständlich war
um mit der Dankbarkeit von heute
auf ihren Grund zu sehen

So jung klingt deine Stimme
in ihrer Unbeschwertheit fern dem bitteren Joch
welches du damals nicht erahnen musstest
und das dich doch unweigerlich erwartet hat
Mich drückt das Mitleid mit dem liebevollen Opa
der in der Zeit so weit
im Raum so nahe zu mir spricht
wie gerne nähme ich dem lustigen Erzähler
die Zukunft, die mir noch so qualvoll
in der Erinnerung steht

Und doch bist du mir auf dem Tonband
weniger vertraut als
deine Stimme, die ich in meinem Kopf
tagtäglich hör
die mit mir spricht, mir Mut macht
mich berät
wie es das Leben
nicht zugelassen hat

Wir beide haben
einander viel gesagt
seit du gegangen bist
Mein Dank und meine Liebe
begleiten mich, wohin ich geh

Vor 37 Jahren
als ich, ein Neugeborenes,
in deiner Tochter Armen lag
hast du mich gefunden
Am Ende deines Weges erst
als nach der Pein
die Ruhe kam
da fand ich dich.

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